Meine Güte, welch ein Feuerwerk müssen wir da über uns ergehen lassen, wenn der Nichtselbstverteidigungsminister sowie Mit- und Gegenspieler versuchen, seinen Blödsinn Nicht-/Plagiats-/Dissertation öffentlich zu verdauen. Seit der Entscheidung, die Arbeit mit summa cum laude auszuzeichnen, wurde eine Zeitbombe installiert, deren Zünder die Guttenbergsche Opposition irgendwann finden und auslösen musste. Gestern gab er zu, sie am Wochenende (nochmal?) gelesen zu haben und entschuldigte sich. Während nun prompt und korrekt betont wird, dass ein Doktortitel keine selbstherrliche Verfügungsmasse ihres Trägers ist, dürften wir wahrscheinlich auf Vergebungsbitten aus den mitverantwortlichen Unikreisen vergeblich warten. Sei’s drum. Bedauerlich am Ganzen ist doch, dass in weiten Teilen weder von der wissenschaftlichen und schon gar nicht von der politisch-gesellschaftlichen Öffentlichkeit der Versuch unternommen wird und wurde, angemessen und ohne Ansehen der Person zu unterscheiden.
Stattdessen allerorten verbale Zerstreubomben zur Wahrung oder Schaffung von Gesichtern, die allesamt Ziele verfolgen, die nichts mit dem zu tun haben, was wir uns (kraft Werte und Grundgesetz) von einander wünschen dürfen: Ehrlichkeit, Engagement, Differenz. “Des isch hald ‘s Feld der Welt”, sagt der Schwabe dazu. Wir erleben ein Schauerspiel unseres dramatischen Ringens, den Versuchungen von Machtgier, Ruhmsucht und Eitelkeit zu entgehen ohne an Einfluss, Ansehen oder Selbstwertgefühl zu verlieren. Doch scheint es, als erliege dabei mehr oder weniger jeder Beteiligte und Diskutant unvermeidlich den Fängen des Allzumenschlichen. Sei es durch die Selbstdarstellungsrage (des Ministers), oppositionelle Interessen (von der Linken), insistierende Hinweise auf Aufgabentrennung (seitens der Parteifreunde), unprofessionelle Loyalität (seitens der Prüfungskommission), entwürdigende Aufklärung (der Guttileaker), aus befriedigter Schadenfreude (von geschassten Plagiateuren), aufgeblasene Spiegelfechterei (der Medien) oder pseudolakonische Moralismen (von Bloggern wie mir). Jeder muss zwanghaft irgend etwas dazu beitragen, um mit der Angst vor dem totalen Selbstverlust fertig zu werden. Nicht auszudenken, wir würden einfach in Stille darüber schweigen und unser Schamgefühl restaurieren…
Aber vielleicht ist alles gar nicht so schlimm. Vielleicht wollen ja alle An- und Eingeber einfach nur verstehen, was da wirklich passiert ist und ohne Sentimentalität und Sekundärinteressen eine angemessene Antwort darauf finden, wann eine wissenschaftliche Arbeit ein Plagiat ist und ob ein Minister in solch einer Situation zurücktreten muss oder nicht. Immerhin macht der Neckar noch keinen Bogen um Guttenberg. Bis alle diese existenziellen Fragen geklärt sind, überlege ich mir, wie ich das hier Gesagte vermitteln könnte ohne andauernd blöd auf meine Traffic-Statistik zu spechten.